Im wahren Enslaved-Stil ist das 16. Album der Bergener Abenteurer, Heimdal, sowohl ein Aufbruch als auch eine Rückbesinnung auf Wurzeln, die vor über drei Jahrzehnten in den turbulenten Geburtswehen der norwegischen Black-Metal-Szene geschmiedet wurden. Gegründet 1991 von den damals bemerkenswert jungen Ivar Bjørnson und Grutle Kjellson, hatten Enslaved den festen Willen, einen anderen Weg als ihre satanischen, kirchenverbrennenden Zeitgenossen einzuschlagen, und wandten sich der nordischen Sagenwelt zu. Die meisten Texte für ihr Debütalbum von 1994, Vikingligr Veldi, schrieben sie in Isländisch aufgrund der Nähe zum Altnordischen.
Wenn die nachfolgenden Alben Frost und Eld – die die dynamischen, kombinierten Eigenschaften von Eis und Feuer ausdrücken – leuchtende Markierungen für die norwegische Black-Metal-Szene bleiben, so waren sie auch Wegweiser. In ihren fieberhaften, schwankenden Riffs und mit Pomp durchzogenen Atmosphären waren Wellen der Erwartung und ein embryonales Gefühl von Schicksal enthalten. Sie boten verlockende Einblicke in die weiten Räume, die zu Enslaved’s Leitprinzip geworden sind, da sie die extreme und progressive Welt miteinander verbinden und ihr ruheloser Geist die Quelle einer fortwährenden Reise des offenen Entdeckens ist.
Das Album Utgard aus dem Jahr 2020 markierte den Beginn einer neuen Phase für die Band, die tiefer in die esoterische Natur der nordischen Mythologie eintauchte, dabei aber präzisere Ausgangspunkte für einen Sprung ins Unbekannte fand. Schlanker als seine vielschichtigen Vorgänger In Times und E, wurde es nur soweit vereinfacht, um neue Räume zum Erkunden zu öffnen. Seine Überlegungen über das schattenhafte, namensgebende Land der nordischen Jotun-Eisriesen fanden Parallelen zu den psychologischen Zuständen des Unbewussten und zur Reise in das eigene Herz der Dunkelheit, die den Beginn des Weges zu allem Selbstwissen darstellt. Selbst Themen der Selbstreflexion wurden in kaleidoskopischen klanglichen Abenteuern verwandelt, die von geschwärzten, frostgebissenen Angriffen über üppige, sich aufwölbende, groovegestützte Aufwinde bis hin zu Aussichtspunkten über den Wolken und sogar in syncopierte, krautrock-inspirierte Wurmlöcher reichten.
Für Enslaved pflanzt jede Etappe einer Reise den Samen für die nächste. Nach der Zwischen-EP von 2021, Caravans To The Outer Worlds, bietet Heimdal einen weiteren tangentialen Akt der Entdeckung, einen neuen Ausgangspunkt für eine feierliche, erwartungsvolle und aufregende Passage durch die Reiche der Sinne.
Heimdal ist ein Spiegelbild der zurückgelegten Wege, ein Versprechen eines Neuanfangs und ein Übergangsritus zwischen beiden. Ein Album für alle Zeiten.